Pflegeberufe: Welche positiven Auswirkungen hat die Reform?

Schätzungsweise fast fünf Millionen Menschen sind in Deutschland pflegebedürftig. Aufgrund der demografischen Überalterung wird diese Zahl weiter zunehmen. Um die Versorgung dieser alten und kranken Menschen auch zukünftig zu gewährleisten, führte die Bundesregierung eine umfassende Pflegereform ein. Der nachfolgende Beitrag zeigt die aktuelle Ist-Situation auf und beleuchtet, welche positiven Auswirkungen sich aus der Pflegereform ergeben.

Der Status Quo des Pflegenotstands

In den vergangenen Jahren verschärfte sich der sogenannte Pflegenotstand immer mehr. Der Begriff spielt auf ein massives Ungleichgewicht zwischen Pflegebedürftigen und Pflegefachkräften an. Seit Jahrzehnten gibt es in der Alten- und Krankenpflege enorme personelle Engpässe. Durch den demografischen Wandel wird der pflegerische Notstand noch verstärkt. Schon jetzt fehlen in Deutschland schätzungsweise 120.000 qualifizierte Pflegefachkräfte. Prognosen zufolge wird die Personallücke bis 2060 auf rund 350.000 fehlende Pflegekräfte anwachsen. Insgesamt gibt es verschiedene Ursachen, die für den Pflegenotstand verantwortlich sind:

  • Jetzt schon problematisch ist die überalternde Bevölkerung. Aktuellen Zahlen zufolge verzeichnet Deutschland mehr als 800.000 Einwohner, die 80 Jahre alt oder älter sind. Alleine von ihnen werden mehr als 30 Prozent pflegebedürftig.
  • Pflegeeinrichtungen können bisher teilweise aufgrund des Finanzierungssystems kein neues Personal einstellen.
  • Seit Jahren zeichnen sich in der Branche schlechte Arbeitsbedingungen ab. Immer mehr Pflegekräfte klagen über körperliche und psychische Belastungen. Hinzu kommt die fehlende gesellschaftliche Wertschätzung.
  • Auch die Entlohnung steht in der Kritik. Alten- und Krankenpfleger verdienen, verglichen mit anderen Branchen, vergleichsweise wenig. Viele von ihnen arbeiten zudem in Zeitarbeitsfirmen, wodurch sie noch weniger verdienen.
  • Problematisch ist zudem der derzeitige Medikamentenmangel. Vielfach fehlt es beispielsweise auch in der Pflege an Krebs- oder Blutdruckmitteln, Cholesterinsenkern oder Antibiotika. Eine belastende Situation, die Patient: innen und Pflegende gleichermaßen vor Herausforderungen stellt.
  • Zu den vom Pflegenotstand besonders betroffenen Bereichen gehören die Alten- und die ambulante Pflege. Hier dauert es durchschnittlich besonders lange, ehe offene Stellen mit geeigneten Fachkräften besetzt werden können. Um dem wachsenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften in der Altenpflege gerecht zu werden, bedarf es unterschiedlicher Maßnahmen. Da in diesem Berufsfeld viele Frauen arbeiten, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiges Themenfeld. Hier ist der Staat gefordert, um diejenigen zu unterstützen, die einen besonderen Betreuungsbedarf haben.
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Die Reformen der Pflegeberufe in Deutschland

Um den genannten Ursachen umfassend entgegenzuwirken, hat die Politik eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Fortan legen Gesetze für faire Löhne und Tarifverträge eine verbindliche Lohnuntergrenze fest. Auch das sogenannte Fachkräfteeinwanderungsgesetz gehört zur Reform. Es erleichtert Fachkräften aus dem Ausland die Einreise sowie die anschließende Arbeitsaufnahme. Eine der wichtigsten Maßnahmen bildet zudem die nunmehr generalisierte Ausbildung. Anstelle von Alten- oder Krankenpflegern gibt es fortan nur noch den einheitlichen Berufsabschluss des „Pflegefachmanns” bzw. der „Pflegefachfrau”. Azubis entstehen durch die Ausbildung keine Kosten, zudem wird diese attraktiv vergütet. Bereits im ersten Lehrjahr erhalten Auszubildende rund 1.160 Euro, im Dritten mehr als 1.300 Euro Bruttolohn.

Nicht nur die Ausbildungen in der Alten- und Krankenpflege werden vereinheitlicht. Auch die Ausbildungen der Anästhesietechnischen- sowie Operationstechnischen Assistenz werden angeglichen, um dem breiten Tätigkeitsspektrum gerechter zu werden.
Nicht nur die Ausbildungen in der Alten- und Krankenpflege werden vereinheitlicht. Auch die Ausbildungen der Anästhesietechnischen- sowie Operationstechnischen Assistenz werden angeglichen, um dem breiten Tätigkeitsspektrum gerechter zu werden.

Welche Auswirkungen hat die Reform auf Pflegekräfte?

Das im Jahr 2022 in Kraft tretende „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ wirkt sich in vielfacher Hinsicht auf die Pflegekräfte aus. Ab September 2022 dürfen nur noch Einrichtungen zur Versorgung zugelassen werden, die nach Tarif bezahlen. Auf diese Weise werden die Rahmenbedingungen der pflegenden Fachkräfte aus finanzieller Sicht verbessert und rechtssicherer gemacht.

Auch die personelle Situation der Pflegekräfte könnte sich durch die Reform verbessern. Denn diese sieht bundeseinheitliche Personalgrenzen vor. So soll es ab Juli 2023 möglich sein, in Pflegeheimen mehr Personal einzustellen. Grundlage dafür ist ein neues Personalbemessungsverfahren. Es berechnet den Bedarf an Pflegefachkräften anhand der Bewohnerstruktur. Mithilfe dieser Personalbemessung möchte der Staat die pflegerische Versorgung im Bereich der stationären Altenpflege optimieren. Getreu dem Motto „knappe Ressourcen personell sinnvoll einsetzen” gelangen die Pflegekräfte also dorthin, wo sie gebraucht werden. So beschäftigen Einrichtungen, die viele Patient: innen mit Pflegegrad vier oder fünf haben, dementsprechend mehr Pflegefachkräfte.

Zudem wirkt sich die Reform auch positiv auf die Fürsorgepflicht gegenüber den Patient: innen aus. Es gestaltet sich dank der Reform unkomplizierter, pflegebedürftige Menschen zu versorgen. Das betrifft etwa den Bereich der Hilfsmittel. Ab 2022 dürfen Pflegefachkräfte Hilfsmittel empfehlen und einen entsprechenden Antrag beifügen. Eine konkrete „ärztliche Verordnung” ist dann nicht mehr notwendig, da nun die Pflegefachkraft die Befugnis erhält. Diese Entscheidung erleichtert den pflegerischen Alltag immens: Schließlich kennen Pflegefachkräfte die Nöte und Bedürfnisse ihrer Patienten genau und wissen, ob und welches Hilfsmittel gebraucht wird.

Studien zufolge würden bis zu 300.000 Fachkräfte in ihren Beruf zurückkehren oder ihre Arbeitszeit aufstocken, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern würden.
Studien zufolge würden bis zu 300.000 Fachkräfte in ihren Beruf zurückkehren oder ihre Arbeitszeit aufstocken, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern würden.

Verbesserte Arbeitsbedingungen durch die Reform?

Gute Arbeitsbedingungen sind das entscheidende Fundament, um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken. Dies kann jedoch nur passieren, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Studien zufolge wünschen sich Pflegefachkräfte vor allem mehr Zeit, um qualitativ hochwertig arbeiten zu können. Auch Tarifbindung und Mitbestimmungsrecht würden die Arbeitsbedingungen verbessern. Zumindest diesen Schritt setzte die Pflegereform um: Dumpinglöhne sollen Geschichte sein. Für manche Pflegekräfte könnte das Gehalt aufgrund der neuen Regelung um bis zu 20 Prozent steigen. Da zudem auch der Mindestlohn angepasst wird, erhalten Pflegekräfte stufenweise mehr Gehalt. Während Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung ab Dezember 2023 14,15 Euro bekommen, erhalten Fachkräfte mehr als 18 Euro. Auch die Urlaubstage sollen für Pflegefachkräfte aufgestockt werden. Bis zu neun zusätzliche Tage, in denen Pflegekräfte im Urlaub verreisen und entspannen können, sind möglich.

Dennoch ist das höhere Gehalt lediglich ein erster Schritt, der nicht automatisch auch für bessere Arbeitsbedingungen sorgt. Denn: Tarifverträge kommen erst nach Tarifverhandlungen zustande. Wo es marktwirtschaftlich möglich ist, versuchen viele Arbeitgeber lediglich das gesetzliche Minimum zu erfüllen. Die Befürchtung, dass die Löhne dennoch auf niedrigem Niveau verharren, bleibt also bestehen. Auch das Personalbemessungsverfahren ist kein „Heilsbringer“, der die Personalknappheit von einem auf den anderen Tag beseitigt. Insgesamt verbessert die „kleine Pflegereform” einige Bereiche wie beispielsweise die Entscheidungskompetenzen der Pflegefachkräfte. Ehe man jedoch von rundum verbesserten Arbeitsbedingungen sprechen könnte, sind weitere Schritte erforderlich.

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Fazit

Mit der Pflegereform wird deutlich, dass sich in der Branche durchaus etwas verändert. Ob das höhere Gehalt und die weiteren Maßnahmen ausreichend sind, um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken, bleibt abzuwarten. Schließlich wünschen sich Pflegekräfte mehr als nur” Geld: Nämlich verlässliche Arbeitszeiten, Überstundenausgleich, Kollegialität auf Augenhöhe und mehr gesellschaftliche Wertschätzung. Also Dinge, die mit einer einzelnen Pflegereform nicht erfüllbar sind und über die es zukünftig nachzudenken gilt.

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